Komposition und Interpretation:
CHEN Chengwen: »Libra«
für einen Beckenspieler (2013)

Filmische Interpretation:
Tobias Klich

produziert in den Künstlerhäusern Worpswede 2014

Das Beckenpaar aus der asiatischen Theatertradition fand im 18. Jahrhundert Einzug in die europäische Militär- und Orchestermusik, wird jedoch meist äußerst reduziert als Markierung des Rhythmus oder als Illustration glanzvoller Höhepunkte wahrgenommen.

Die Komposition »Libra« von CHEN Chengwen entlockt diesem scheinbar vertrauten Instrument durch verschiedenste Arten des Reibens, Schlagens und Kratzens ganz ungewohnte Klangwelten, bringt es auf diese Weise schließlich sogar zum „Singen“ durch Anregung einzelner Obertöne, um zum Schluss in den doch so bekannten Orchesterbeckenschlägen nun ganz Anderes hören und wahrnehmen zu können. Mit dem Bild der Waage – im ständigen Prozess des klanglichen Ausbalancierens – begibt sich dieses Stück auf die Suche nach dem Unbekannten im Vertrauten, nach dem Fremden im Eigenen, versucht das Fremde als verdrängtes Eigene aufzudecken. Fremdheit beginnt nicht außerhalb, sondern im Menschen selbst.

Der Musikfilm zu »Libra« versteht sich dabei nicht als Dokumentation einer Aufführung, sondern als visuelle Interpretation dieser Komposition. Durch extreme Nahaufnahmen sowie ungewöhnliche, ständig wechselnde Perspektiven auf den Musiker und sein Instrument soll dabei mit nahezu graphischen Abstraktionen eine intimere Wahrnehmungsebene eröffnet werden, die in einer Konzertaufführung auf diese Weise nicht realisierbar ist.

1. Januar 2014