Prof. Jörg Birkenkötter (HfK Bremen)
Beethoven, unser Zeitgenosse (?)
„Den Stoff sieht jedermann vor sich; den Gehalt findet nur der, der etwas dazu zu tun hat, und die Form ist ein Geheimnis den meisten.“ (Goethe)
„Nur erst, wenn dir die Form ganz klar ist, wird dir der Geist klar werden.“ (Schumann)
Die „ausbrechende Subjektivität“, Überschrift des tritonus-Festivals 2020/21, setzt Adorno unmittelbar in Beziehung zu Beethovens Verhältnis zur Konvention und weist darauf hin, dass dieser in seinen späten Werken Konventionelles oft „kahl, unverhüllt, unverwandelt“ stehen lässt. Adorno schreibt: „Das Verhältnis der Konvention zur Subjektivität selber muss als Formgesetz verstanden werden, aus welchem der Gehalt der Spätwerke entspringt.“
Offensichtlich empfand Beethoven um 1820 die Konzeption großer Formen als problematisch. Im Zusammenhang der 9. Sinfonie äußerte er: „Es graut mir vor’m Anfange so großer Werke.“
Den grandiosen Lösungen der späten Streichquartette gehen u.a. die – ebenso grandiosen – Kurzformen der Klavier-Bagatellen op. 119 und op. 126 voran. Diese bilden, auch als klanglicher Kontrapunkt innerhalb dieses Streichquartett-Festivals, den Kern meiner Überlegungen und werfen die Frage nach ihrer Relevanz für heutiges Komponieren auf.